von Prof. Dr. Klaus Brake
Das Projekt Future Urban Industries ist ein Plädoyer dafür, die Zukunft von Industrie in der Stadt erfolgversprechend zu prüfen.
Das ist unserer Entwicklungs-Situation angemessen und verdienstvoll.
Bei der Klärung, inwieweit das so ist und wie damit umzugehen wäre, sollten programmatische (Absichts-)Aspekte, analytische (Ermöglichungs-)Aspekte und konzeptionelle (Standort-Profil-)Aspekte deutlicher auseinander gehalten werden; dabei sind zentrale Positionen / Annahmen dieses Vorhabens zu diskutieren und zu präzisieren.
Die Marke Future Urban Industries sollte ruhig in Deutsch kommuniziert werden. Dann geht es nämlich – wie die Diskussion gezeigt hat – offenbar um: Zukunft, um Industrie und um Stadt.
Was also ist damit gemeint?
„Zukunft“: das ist hier weniger ein Problem, denn eine Herausforderung.
„Stadt“: sie wird geläufig als urbanes Umfeld verstanden. Wie wichtig aber soll „urban“ in diesem (oder einem anderen?) Sinne genommen werden? Je nachdem könnte die Kernstadt in den Blick kommen, oder eben (wie auch vorgeschlagen) die Stadtregion.
Das wäre zum einen für das (weitere) Vorhaben zu präzisieren.
„Industrie“, der Schlüsselbegriff dieses Vorhabens:
Als Wort-Synonym für industries würde es neutral um „Wirtschaftszweige“ gehen, im speziellen hier wohl um manufacturing. Das wäre begrifflich vielleicht auch garnicht so schlecht (s.u.). Denn „Industrie“ in einer Diskussion für Deutschland kann (wie sich im Gespräch auch gezeigt hat) leicht irreführend und kontraproduktiv wirken. Assoziiert wird nämlich „große“ (d.h. schwere) Industrie“ bzw. durchrationalisierte „fordistische Industrie“.
Dieser Charakter ist nicht mehr der zukünftig tragende – und damit kommuniziert „Industrie“ eine falsche Orientierung dessen, worum es mit diesem Projekt doch gehen soll.
Zielführender ist (wie im englischen manufacturing): Fertigung – im Unterschied zu Dienstleistungen.
Das wäre zum anderen für das (weitere) Vorhaben als zentrale Annahme zu präzisieren – und entsprechend auszudifferenzieren.
Die nachvollziehbare Absicht, Fertigung in Städten zu unterstützen, vorausgesetzt, könnte die analytische Frage demnach lauten:
Inwieweit kann es Fertigung in urbanem Umfeld geben?
Das ist eine notwendige Frage, denn diese Konstellation kollidiert weniger mit entsprechender Flächenextensität oder Umweltbelastung (den Erscheinungsformen insbesondere des überkommenen Industrie-Typs), als im Kern mit den marktwirtschaftlichen Grund-Bedingungen der Bodenrente, denen zufolge diejenigen Wirtschaftstätigkeiten sich regelmäßig aus städtischen / urbanen Standorten zurück ziehen (müssen), die keine adäquate Flächen-Rendite realisieren.
Etwas präziser würde die Frage also lauten: Lassen sich – auf der analytischen Ebene des Vorhabens – Potenziale für eine entsprechende Art von Fertigung in urbanem Umfeld identifizieren? (deren angemessenen Standorte dann (erst) zu definieren wären).
Das kann m.E. nur anhand der Figur „wissensintensive Ökonomie“ geklärt werden, die im Vorhaben bislang aber eher nur deklamatorisch mal vorkommt.
Dabei geht es um eine m.E. viel tragendere Kategorie als vielfach verhandelt. Gemeint ist eine der wesentlichen Ebenen, auf denen sich die aktuelle – und vergleichsweise sehr markante – Phase des permanenten Strukturwandels auswirkt. Rufen wir uns dazu hier jetzt nur kursorisch die zentralen Begriffe, wie: weitere und radikale „Globalisierung“, „Flexibilisierung“ und „Deregulierung“, auf, ohne sie bereits detaillierter auszuwerten, so läßt sich – im Ergebnis ihres Zusammenwirkens – für den Kontext dieses Vorhabens festhalten: Wir haben uns auf eine Güter-Produktion einzustellen, die sehr viel situativer verfaßt ist und schneller modifizierbar und auch kulturell jeweils adaptierbar sein muß. Und diese erfordert – allein auf der Produktions-Seite und auch noch unabhängig vom konkreten Arbeitsprozeß – einen weitaus höheren wirklich integrierten (und nicht nur zugelieferten) Anteil von FuE und von einem Erfahrungs- und Gestaltungs-Wissen, das erheblich kultur- und sozialwissenschaftlich auch fundiert ist (Lebensstiele). Im Ergebnis wird der Anteil „maßgeschneiderter“ bzw. „intelligenter“ Fertigung ganz erheblich zunehmen (zwischen Turbinen und Brillen, zwischen Pharmaka und Interieur), neben weiterhin notwendiger Massen-Fertigung. Darin könnten Potenziale für eine entsprechende Art von Fertigung in urbanem Umfeld identifizierbar sein, und zwar eben im Feld wissensintensiver Ökonomie, zu dem darüberhinaus FuE, strategische unternehmensberatende Dienstleistungen und Kreativwirtschaft zu zählen sind.
Auf einer entsprechenden Basis wäre dann zu klären: Welche für Wirtschafts-Subjekte individuell praktizierbaren Rahmenbedingungen sind dafür wichtig?
Auf der einen Seite sind das spezifisch qualifizierte und gezielt motivierbare MitarbeiterInnen. Sie brauchen Anregungen für die Produkte/Leistungen, die entsprechend individualisierend „ankommen“ sollen („Inspirationen“), und ebenso eine realisierbare work-life-balance. Für beides sind – auf der anderen Seite – urbane Umfelder die potenziellen „Optionsräume“. Und natürlich bieten gerade europäisch/atlantische Städte entsprechende strukturelle Qualitäten. Mit ihrer Nutzung durch eine veränderte Arbeits-/Produktions- und Reproduktions-Art (eben der „wissensintensiven Ökonomie“) kommt es zu derjenigen (Wieder-)Inwertsetzung städtischer Strukturen, für die der ewig bemühte R. Florida allein die bloße Existenz von TTT verantwortlich machen will. Dabei ist zu differenzieren, in welchem Maße ein betont urbanes Umfeld von jeweils spezifischer Bedeutung ist im Spektrum insbesondere zwischen Fertigung und Kreativwirtschaft – und damit der Aktionsraum „Kernstadt“ bzw. „Stadtregion“ die jeweils adäquate Untersuchungsfolie.
Facit 1
Neuartige Formen von Fertigung in urbanem Umfeld kann es geben. Eine ganz bestimmte Ausprägung „intelligenter“ Fertigung scheint sogar auf urbane Standorte angewiesen zu sein, und sie verspricht – mit ihrem hohen know-how-Anteil – eine entsprechende Flächen-Rendite. Solche Fertigung kann es im Wechselverhältnis ihrer Arbeits-Strukturen und der Intensität von Urbanität abgestuft auch in der weiteren Stadtregion geben. Entsprechend differenzierte Typen stadtaffiner Fertigung wären zu generieren.
Facit 2
Demgemäße Aktions-/Standort-Strukturen gilt es (zu identifizieren und) zu ertüchtigen (s. auch: Lissabon-Strategie / Metropolregionen). Darin liegen gerade Deutschlands (siedlungsstrukturell bedingten) Potenziale / Stärken.
Facit 3
Vorrangiger weiterer Klärungs- bzw.: Forschungs-Bedarf liegt nicht gleich – wie annonciert –beim „Fabrikbau“. Plausible Typen stadtaffiner Fertigung sind zunächst in Beziehung zu setzen zu damit kompatiblen räumlichen Nutzungs-Strukturen in urbanem Umfeld (Typen / Kernstadt/Stadtregion). Erst danach kann sinnvoll über gebäudliche Lösungen nachgedacht werden.
Kontakt zum Autor:
Prof. Dr. Klaus Brake
Technische Universität Berlin
Center for Metropolitan Studies
klaus.brake@metropolitanstudies.de
www.metropolitanstudies.de
Hintergrund:
Prof. Dr. Klaus Brake (geb. 1940) hat Architektur und Städtebau an der Technischen Universität Berlin studiert und an der Universität Bremen promoviert. Von 1975 bis 2000 hatte er an der Universität Oldenburg eine Professur für Stadt- und Regionalentwicklung inne. Seit 2000 arbeitet Klaus Brake selbstständig als Berater in Berlin. Gegenwärtig ist Klaus Brake zudem Gastprofessor am Center for Metropolitan Studies der Technischen Universität Berlin. Sein mittelfristiger Forschungsschwerpunkt sind Ursachen und Herausforderungen von Reurbanisierung im Kontext der Wissens- und Kreativökonomie.
Zur weiterführenden Lektüre empfohlen u.a.:
http://www.pressestelle.tu-berlin.de/newsportal/forschung/2010/tui0210_am_oekonomischen_limit/
http://www.berlin-institut.org/interviews/klaus-brake.html
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